Erdmännchen

Bokeh Challenge – ein kleiner Vergleich

Fotografie
von Tom
12. April 2020
Objektive Challenge
Auswahl Objektive

Die Art des Bokehs ist eines der Qualitätsmerkmale von Objektiven. Es ist ein wichtiges Gestaltungsmerkmal und zwingt den geneigten Betrachter sich auf das so freigestellte Objekt zu konzentrieren. Nicht nur das scharfe Motiv im Vordergrund ist entscheidend für ein gutes Bild. Der Hintergrund ist genauso wichtig für den Eindruck, welchen das Gesamtbild hinterlässt. Insofern spricht man von einem ruhigen, verwaschenem Hintergrund und einem unruhigen. Hinzu kommt die Tiefenschärfe, die den Hintergrund mehr oder weniger scharf darstellt. Das Bokeh ist also ein Maß dafür, in wie weit die Hintergrundelemente ineinander verschwimmen. Bokeh kommt übrigens aus dem Japanischen und heißt soviel wie „verschwommen“.

Die interessante Frage war, wie schaut das Bokeh meiner z. Zt. im Schrank stehenden Vollformatobjektive aus. Der Gesamteindruck ist im Grunde schon jetzt klar. Weitwinkelobjektive (kurze Brennweiten) mit geringer Lichtstärke haben kaum oder wenig Bokeh. Lange Brennweiten mit großer Lichtstärke zeichnen sich durch ausgeprägtes Bokeh aus. Das wollte ich mir genauer anschauen. 

Ich habe drei Brennweitenbereiche gegenüber gestellt:

Weitwinkel

  • Voigtländer Heliar 15mm 1:4.5
  • Tamron 24mm 2.8
  • Loxia 35mm 2.0 

Normalbrennweiten

  • Leica Summicron 50mm 2.0
  • Minolta MD 50mm 2.0
  • Zeiss Sonnar 55mm 1.8
  • Pentax Takumar 55mm 1.8

Telebrennweiten

  • Sony SEL 85mm 1.8
  • Canon nFD 100 2.8
  • Vivitar 70-150mm 3.8
  • Sony SEL 70-200mm 4.0

Weitwinkel

Voigtländer Heliar 15mm 1:4.5

das Heliar ist ein sehr kompaktes, handliches Objektiv. Mit 15mm Brennweite ist es ein klassisches Ultraweitwinkel mit großer Tiefenschärfe und geringer Lichtstärke. Seine Stärken sind Landschafts- und Architekturfotografie und schöne Blendensterne (siehe hier) – Bokeh -> Fehlanzeige (siehe unten). Es war nicht anders zu erwarten.

Tamron 24mm 2.8

Das Tamron ist ebenfalls ein Weitwinkel. Es ist erst Ende 2019 auf den Markt gekommen. Es ist  zwar ein leichtes dennoch voluminöses Objektiv und zeichnet sich durch eine hinreichende (2.8) Lichtstärke und geringer Naheinstellgrenze aus. Aufgrund der optischen Geometrie ist auch bei diesem Objektiv keine Überraschung bezüglich Bokeh zu erwarten….

Loxia 35mm 2.0 

Was rd. 10mm längere Brennweite bereits am Ausschnitt verändern – bei gleicher Position wie im obigen Bild. Auch der Hintergrund beginnt nun deutlich zu verschwimmen, bei einer Blendenstufe mehr. Das Loxia ist ein kompaktes „Immerdrauf“, dass mit seinem Metallkörper und manuellem Fokus gut ausbalanciert ist. Es ist eine Übergangsbrennweite (Begriff habe ich gerade erfunden!). Ist es noch Weitwinkel oder schon  Normalobjektiv? Diese Linse ist für viele Zwecke einsetzbar – solange das Objekt sich nicht (schnell) bewegt…. Gut, das Erdmännchen hat nochmal still gehalten 😉

Normalbrennweiten

Leica Summicron 50mm 2.0

Dieses kleine historische Objektiv aus den 70iger Jahren liebe ich. Es ist sehr klein, kompakt und macht einen wertigen Eindruck. Die Farben out of the Cam haben einen leichten warmen Ton und sind knack scharf, wenn der (manuelle) Fokus stimmt. (siehe auch hier)

 

Before After ErdmännchenErdmännchen

Minolta MD 50mm 2.0

Ebenfalls klein und sehr leicht. Der Body ist aus Kunststoff und die Linse fühlt sich eher billig an, Der äußere Eindruck täuscht allerdings über innere Qualitäten hinweg. Wie ich bereits in meinem Betrag „Nifty Fifty“ ausgeführt habe, ist das Objektiv bis an die Ränder bereits offenblendig scharf und paßt ebenfalls handlich in jede Fototasche. Im Bokeh unterscheiden sich beide (Leica Summicron) nicht. Sie tun es nur im Preis. Bei Ebay kostet die Plastikscherbe rd. 50€ und das Summicron rd. 500€….

Zeiss Sonnar 55mm 1.8

Das Objektiv ist inkl. Bajonett komplett aus Metall gefertigt und wirkt äußerst wertig. Dabei liegt es sehr gut in der Hand und wiegt gefühlt wenig. Der Fokusring ist ebenfalls aus Metall und besitzt feine Rillen für besseren Grip. Das Objektiv lässt sich dabei schon ab Offenblende 1.8 sehr gut einsetzen. Dank Autofokus  bildet es schnell knackscharf ab. Wenn man Portraits  von Personen macht, besticht die Optik durch ein angenehmes Bokeh.

Before After

Pentax Takumar 55mm 1.8

Zum Vergleich hier ein 55mm Objektiv gebaut in den Ende der 60iger oder Anfang der 70iger Jahre. Die Abbildungsleistung bereits bei Offenblende ist sehr gut. Ich kann bezügl. des Bokehs keine Unterschiede zum modernen und teureren Zeiss erkennen. Sicher geibt es Unterschiede, die den Preis rechtfertigen. Das Bokeh bei Offenblende ist es sicherlich nicht. Erstaunlich!

Telebrennweiten

Sony SEL 85mm 1.8

Ein 85mm Objektiv ist eine klassische Porträtbrennweite. Natürlich ist hier ein ansprechendes Bokeh zu erwarten. Im Vergleich zum G Master, ebenfalls aus dem Hause Sony, ist es auch sehr leistungsfähig in Bezug auf Treffsicherheit, Schärfe und Bokeh, auch leichter und kostengünstiger. Ein schönes Objektiv im Porträtbereich.

Canon nFD 100 2.8

Das FD 100 mm f/2,8 ist eins von meinen “Brot-und Butter-Objektiven”, die regelmässig in die Fototasche wandern. Brennweite und Format sind einfach perfekt und die Abbildungsqualität ist so gut, dass man nicht ständig über sie nachdenken muss. Die Naheinstellgrenze ist für dieses kleine Teleobjektiv nicht berauschend (rd. 1m). Es bildet scharf schon offenblendig ab und hat ein schönes Bokeh.

Vivitar 70-150mm 3.8

Wer bei Bildern nicht nach der ultimativen Schärfe sucht, sonder einen Look kreieren möchte, der anders ist, sollte unbedingt auch mit alten Festbrennweiten oder eben auch Zooms arbeiten. Wie  oben bereits gezeigt wird…
Das von Kiron für Vivitar hergestellte  70-150 F3.8 ist extrem flexibel im Einsatz, motiviert durch haptische Qualitäten und präziser Verarbeitung bei einer Baugrösse die ebenfalls in jede Kameratasche passt. Es ist nicht extrem scharf und hat einen angenehm weichen Look insbesondere bei 150mm.
 
mit ca. 85mm Brennweite
mit 150mm Brennweite

Sony SEL 70-200mm 4.0

Die Brennweite 70-200mm gehört wie z.B. ein 24-70mm zu fast jeder Fotoausstattung.  Im Gegensatz zur lichtstarken (und schwereren) Schwester ist dieses 4.0 Objektiv ein Kompromiss zwischen Qualität und Preis/Leistung. Es ist in Bezug auf Bokeh nicht zu vergleichen mit dem lichtstarken 85mm Objektiv. Der Fairnis halber sollte gesagt sein, dass hier nur mit Blende 4.0 (bei 85mm) im Vergleich zu 1.8 gearbeitet wird. Das Boheh ist somit deutlich unruhiger.  Die Verarbeitung ist allerdings sehr gut. Gleiches gilt für Schärfe und Autofokus. Allerdings kann bei voller Ausnutzung der maximalen Brennweite auch immer noch ein schönes weiches Bokeh erzeugt werden (siehe unten).

Before After Erdmännchen
mit 200mm Brennweite

Fazit

Wir haben hier einen Querschnitt durch unterschiedliche Fototechnik in Bezug auf die Bokeh Eigenschaften gesehen. 

Physikalische Rahmenbedingungen geben bereits gewisse Ergebnisse vor. Kurze Brennweiten in Verbindung mit geringer Lichtstärke können kein wirkliches Bokeh erzeugen. Das wurde natürlich bestätigt.

Überrascht hat mich die sehr gute „Bokeh Leistung“ der „alten Scherbe“, die zum Teil (und etwas anderes habe ich hier nicht untersucht!)  mit modernen Objektiven gleichziehen. Insofern kann ich hier nicht den einen Sieger ausrufen. Denn jedes Objektiv hat daneben auch noch andere Eigenschaften, die je nach Einsatz und(!) persönlichem Geschmack zum Tragen kommen.